Die geteilten Meinungen teile ich. Es gibt sehr viele gute Ansätze, sowohl individuell als auch im Kollektiv, aber es fehlt noch einiges an Automatismen und Erfahrungsschatz, um gegen sichere Playoff-Teams wie Oldenburg bestehen zu können. Absolut nicht funktioniert hat die Starting Five, sowohl mit Onu als auch mit Stanic. Johnson dribbelt nach vorne, Stanic oder Onu stellen einen Block, Oldenburg gibt den Pass auf Nelson ab, der relativ offen stand, der wiederum zu Gray in die Ecke weitergab, der kaum Platz hatte und dann ging der Ball zumeist zurück zum an der gleichenden Stelle stehenden Nelson und dann wieder zum Ausgangspunkt zu Johnson. Dann waren oftmals nur noch weniger als zehn Sekunden auf der Uhr und Johnson musste sich etwas einfallen lassen, da ohne weiteren Ballhandler die komplette Verantwortung im kreativen Bereich auf seinen Schultern lastet. Diese Last ist aktuell merklich zu groß für ihn. Abschreiben würde ich ihn allerdings (noch) nicht. Einen komplett gebrauchten Tag hatte Nelson, den Oldenburg in der Offense stets so viel Platz ließ, dass er einen halb offen Dreier loswerden konnte, aber die Option das Close-Out zu attackieren gab es nicht. Wenn der Wurf dann nicht fällt, dann ist es schwierig, wobei ich absolut nicht verstehe, weshalb für Nelson keine Postgame-Plays gelaufen werden. Defensiv sah er zum Ärger Amiels auch so einige Male nicht gut aus, was für einen Rookie nicht ungewöhnlich ist. Ein schlechtes Spiel kann passieren, um ihn mache ich mir keine Sorgen, wünsche mir nur, dass seine Qualitäten innerhalb der Zone vermehrt genutzt werden würden und er einen größeres Bewusstsein für Defense entwickelt. Die Anlagen ein guter Verteidiger zu werden, sind definitiv vorhanden. Die Enttäuschung des gestrigen Abends war allerdings Stanic. In der Verteidigung der Zielspieler der Oldenburger, die ihn dort anscheinend als Schwachstelle ausgemacht hatten und offensiv mit ganz schlechter Entscheidungsfindung. Er hat auch wenige Bälle bekommen, aber dann muss er lernen, sich davon nicht herunterziehen zu lassen und stattdessen anderweitig zu performen. Sei es beim Rebounding, durch gute Screens, Hustle-Plays, in der Defense...
In Ordnung waren die Leistungen von Tadda, Wohlrath und Onu. Die beiden Deutschen haben aktuell Schwierigkeiten beim Wurf, was sich bei Wohlrath beim Einwerfen zeigt und können und müssen defensiv drauflegen. Tadda macht dort dennoch viel richtig, aber im Eins gegen Eins wird er doch in manch Situation zu einfach geschlagen. Aber mir gefällt der Einsatz der beiden und man darf nicht vergessen, dass beide keine optimale Vorbereitung hatten. Das wird scho. Onu mit schwieriger aber keiner ganz schlechten ersten Halbzeit und richtig guter zweiter Halbzeit. Defensiv und beim Rebounding am offensiven Brett ein großer Faktor bei der Aufholjagd am Ende. Russell hat gegen ihn keinen Stich gemacht. Es ist (noch) nicht alles Gold was glänzt und es hat klare Schwäche (defensives Rebouding, Screens, Offensiver Input, manchmal die Positionierung bei der Pick & Roll-Verteidigung), aber die Entwicklung in den letzten Wochen stimmt mich sehr positiv.
Gut waren für mich Copeland und Gray. Erster mit wenig Treffsicherheit in Halbzeit zwei und generell sehr streaky, aber er ist ein positiver Zocker. Spielt mit viel Energie, auch in der Defense, hustled, ist offenkundig gut im Team integriert, das ist bisher viel besser als von mir befürchtet. Klar, teilweise zu sehr verliebt in den Pull-Up Dreier und dadurch mit zweifelhafter Wurfauswahl, auch defensiv ab und an überaggressiv, aber mir gefällt seine Energie und er muss teilweise auch aufgrund der Findungsphase von Johnson mehr Ballhandling und Verantwortung übernehmen als gut für ihn wäre. Gray wirft soo unfassbar sicher aus den Ecken und spielt mit ganz viel Energie, er füllt seine Rolle echt gut aus und spielt offensiv nahe am Maximum. Defensiv erwarte ich mir allerdings viel mehr. Das ist bisher bestenfalls solide. Er verteidigt teilweise viel zu ballorientiert und undiszipliniert, immer mit Blick darauf ein spektakuläres Play zu machen. Manchmal ist weniger mehr. Er muss "einfach nur" solide verteidigen, dann wird er einer der besten Verteidiger der BBL werden.
Klar bester Spieler war wieder einmal Woodbury. Er muss nur lernen mehr Verantwortung zu schultern und das als für mich mit Abstand talentiertester Spieler im Kader auch einfordern. Seine Entscheidungsfindung ist so viel besser als vor ein paar Wochen, er wirkt mehr und mehr wie ein PG, wenngleich er für mich weiterhin ein Combo-Guard ist, kreiert für sich und seine Mitspieler, kann werfen, ziehen, aufposten, passen, rebounden und offenkundig auch dunken. Seine Defense finde ich mittlerweile auch annehmbar. Ich sehe hier keine große Schwachstelle mehr.
Auch im Kollektiv war es viel Licht und Schatten. Zur Starting Five habe ich mich bereits geäußert, hier würde ich mir Änderungen wünschen. Offensiv ist das mit dem Backcourt viel zu statisch. Eventuell könnte man mehr Pick & Rolls mit Johnson und Nelson laufen und dadurch versuchen den in dieser Formation talentierten Offensivspieler so zu involvieren oder Nelson wird auch Mal im Post gesucht. Ansonsten müssen Teams weiterhin nur das klassische Pick & Roll von Johnson mit Onu/Stanic verhindern, denn der einzige Spieler mit Qualitäten im Eins gegen Eins ist mit Abstrichen Nelson. Einer aus Woodbury oder Copeland müssen daher mMn in die S5. Auch um die Anzahl an nicht gut vorbereiteten Dreiern zu reduzieren. Ab dem dritten Viertel bis Minute 34 waren 20 von 23 Feldwürfen Dreier. Einige davon waren auch offen, aber die Balance muss stimmen und man muss einen Weg finden, wie man in die Zone gelangt. Das ist der Mannschaft in der lange Phase überhaupt nicht geglückt. Das ist für mich auch die wichtigste Aufgabe in der Offense: Die Zone attackieren. Den defensiven Ansatz erachte ich als spannend, aber auch wenn dieser simpler als die vorherige Spielidee sein soll, wirkt es doch ziemlich kompliziert. Die Rotationen müssen perfekt passen, ansonsten gibt es einen offenen Wurf vom Flügel, aus der Ecke oder einen Backdoor-Cut der oftmals zu einfachen Punkten führte. Ich muss mir das Spiel nochmal anschauen, um zu sehen, wie genau verteidigt wird, aber grundsätzlich müssten die vorhandenen Spieler gut zur defensiven Idee passen. Das kann glaube ich schon gut werden. Derzeit kommen Gegner wie Oldenburg, die ein grundsolides Spiel absolviert haben und in so ziemlicher jeder statistischen Rubrik sehr nahe am bisherigen Saisonschnitt waren, zu früh. Das war auch vor der Saison zu erwarten. Bisher ist Bamberg ergebnistechnisch im Soll und leistungstechnisch geht es zumindest in die richtige Richtung. Gegen die drei für mich sicheren Playoff-Teams wurde deutlich verloren, gegen MBC mehr oder weniger souverän gewonnen. Bassd. Die Spieler haben Potenzial, das Team hat Potenzial, es macht bisher deutlich mehr Laune als in den vergangenen Jahren und ich würde sagen, man befindet sich aktuell im Zielkorridor. Möchte man die Playoffs angreifen, dann fehlt definitiv ein sehr guter Point Guard und ein gesunder Heckmann in Topform, aber Platz 10-14 sollte mit der Mannschaft möglich sein.
