Aaaalso....das ganze Gejaule von wegen "der Einzelhandel stirbt", kann ich nicht nachvollziehen. Als ob es in Deutschland noch eine Fußgängerzone gäbe, in der nicht die Filialisten die kleinen Einzelhändler auf breiter Front in die zweite oder dritte Reihe verdonnert oder gleich ganz ausgerottet hätten. Der Fachmann um die Ecke ist nämlich längst ausgestorben, dafür haben steigende Mieten in den 1a-Lagen und eine enstsprechende Politik der Städte beigetragen.
Wenn jetzt auch den Ketten richtig zugesetzt wird, ist das auch keine neue Entwicklung. Ein Haufen graumelierter und weißhaariger NIMBYs hat sich im Verein mit einigen grün Angehauchten und entsprechend denkenden und handelnden Politikern das Ziel gesetzt, die Innenstädte nicht nur autofrei zu gestalten, sondern gleich in ein persönliches Sanatorium umzuwandeln. Lärm unerwünscht und Verkehr ist des Teufels; Individualverkehr gehört schon sowieso verboten; jegliche Beeinträchtigung der eigenen Lebensqualität muss weg. Aber die komplette Infrastruktur inklusive Wohlstand möge bitte vor der Haustür bestehen bleiben. Das wird aber so nichts. In der modernen Geschichte der Menschheit war die Stadt immer Zentrum des Handels; die Menschen kamen aus der Umgebung dort zentral zusammen, um Waren und Dienstleistungen auszutauschen. Davon will man heute aber nichts mehr wissen bzw. man meint, die Leute dazu verdonnern zu können, sich nach den selbst gesetzten Bedingungen in die Stadt zu begeben, und zwar bitte per ÖPNV, zu Fuß oder per Fahrrad. Wenn es dazu kein Angebot gibt, Pech gehabt; sieh zu, wie Du herkommst, Kunde. Dass der sich dann seinen Teil denkt und entsprechend umgewöhnt, will keiner haben und auch keiner hören.
Es wie immer recht simpel: das Bessere ist der Feind des Guten. Und die Zeiten, in denen der Einzelhandel einfallslos nur dasitzen musste, weil der Kunde keine Alternative hatte, sind lange vorbei. Warum ist eigentlich der Onlinehandel und darunter der größte Vertreter so erfolgreich? Weil da vom Kunden her gedacht wird und dessen Zufriedenheit an oberster Stelle steht - und diese Zufriedenheit Folgeeinkäufe produziert. Kandidaten, die die Beratungsleistung im Einzelhandel nutzen und dann online kaufen, sind schlicht ausnutzende Schweine und sonst nichts. Aber umgekehrt habe ich das im Einzelhandel auch schon erlebt, als ich mich einmal für eine Uhr interessiert habe und der entsprechende Ladeninhaber zu mir meinte, ich solle die doch beim Konzessionär anprobieren und dann zu ihm kommen, er würde sie dann über seine Kanäle bestellen. Mit Heiligkeit ist da keiner gesegnet.
Ergo: entweder akzeptiert man als Städter, dass es auch ein Umland gibt und diese Leute nicht zu Fuß kommen werden. Und akzeptiert, dass die mit dem Auto in die Stadt kommen. Oder man sperrt sie aus, weil man seine Ruhe haben will. Dann darf man sich aber nicht beschweren, dass der ehemals ansässige stationäre Einzelhandel Platz macht für Shishabars, Dönerläden und andere Fressbuden. Und das Geschäft eben woanders und von anderen gemacht wird.
Zumal sich der Einzelhandel traditionell mit Innovationen und Service eher schwer tut. Das merkt man immer wieder, wenn man mal im Ausland einkaufen gewesen ist. Es gibt relativ wenige deutsche Einzelhändler, die das Einkaufserlebnis tatsächlich so attraktiv machen, dass der Kunde anbeißt und die Nachteile eines im Vergleich zum Online-Kistenschieber immer geringeren Warenangebots mit den unschönen Nebenbaustellen An- und Abfahrt plus die dafür notwendigen Kosten in Kauf nimmt. Daran ändern auch lächerliche Abgaben auf Pakete nichts. Solche Ideen zeigen nur die völlige Ahnungslosigkeit ihrer Erfinder, die sich geistig so weit von marktwirtschaftlichen Grundprinzipien entfernt haben, dass sie glauben, mit einem kommunistisch anmutenden Dirigismus und Interventionismus den Konsumenten mit aller Gewalt in ihrem Sinne steuern zu können. Dabei wird dann nur heraus kommen, dass sich die Betroffenen nach Alternativen umsehen - beim Onlinversender wäre das der Versand aus dem innereuropäischen Ausland, der problemlos möglich ist - und beim Kunden die Bestellung beim innereuropäischen Konkurrenten. Damit radiert man dann die Arbeitsplätze in den fast ausnahmslos in strukturschwachen Gegenden angesiedelten Versandzentren gleich mit aus.
Und noch ein Punkt zu "Geiz ist geil". Das faszinierende an dem Spruch ist, dass die Devise bei seinen Erfindern nie zutraf. Wie jeder Einzelhändler hatte MediaSaturn immer seine Mischkalkulation und war bis auf die so angepriesenen Sonderangebote durch alle Sortimente zum teil deutlich teurer als die Konkurrenz. Dem Konsumenten wird nichts geschenkt, schon gar nicht in einem Staat mit moderater Lohnentwicklung, einer nach OECD extrem hohen Steuern- und Abgabenlast und der stetigen Steigerung derselben (jüngst und ab jetzt jährlich steigend mit der CO2-Bepreisung, in naher Zukunft mit weiter steigenden Grundsteuern für alle, juchhee). Da hat keiner was zu verschenken. Das Thema "Leben und leben lassen" hat der Staat spätestens nach der deutschen Einheit komplett eingetütet. Mit dem Internet hat der Kunde nun - zum Leidwesen des Handels - die volle Preistransparenz. Warum sollte er bei identischen Gütern den höchsten Preis bezahlen? Der Kühlschrank "Frosti 2000" ist nunmal der Kühlschrank "Frosti 2000" und es macht keinen Unterschied, ob man den von Händler A, B oder C bezieht. Und so macht der Kunde nunmehr das, was Handel und Industrie schon seit Jahrhunderten gemacht haben - er optimiert seinen Vorteil. Ich verstehe überhaupt nicht, was daran verwerflich sein sollte. Ohne Angebot keine Annahme. Und wenn es einen gibt, der günstiger produziert oder verkauft, macht der entweder etwas richtiger als sein Konkurrent oder geht irgendwann pleite. Das ist der Lauf der Welt.
Um es abzuschließen und auf das Tehma zurückzuführen: die Entwicklung gab es schon lange vor Corona und sie ist nicht aufzuhalten. Nichts ist beständiger als der Wandel. Und wer nicht mitgeht, der wird irgendwann gegangen. War immer so und wird auch so bleiben.